Irgendwie scheint seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im „new normal“ alles komplizierter zu sein. Und doch bieten sich zahlreiche Chancen und Freiheiten, um die Zusammenarbeit in hybrid arbeitenden Teams erfolgreich zu gestalten. Wir haben es selbst erlebt, Teams auf ihrem Weg begleitet und gemeinsam gelernt, was das Erfolgsrezept ist.
Zwischen Erleichterung und Komplexität
Wir haben in den letzten Monaten Erfahrungen gesammelt – mit unserer Fähigkeit, uns auf ganz neue Umstände und Rahmenbedingungen einzulassen, mit unseren inneren Widerständen gegen die neuen Anforderungen und mit der Möglichkeit, kleine Freiheiten, die wir gewonnen haben, zu nutzen. Dies, indem wir z.B. die regelmäßige Fahrtzeit zu einem Arbeitsplatz einsparen und organisationsweite Meetings ohne den Einsatz von Reisezeit etc. stattfinden können.
Allerdings ist das Miteinander auch komplizierter geworden. Wir merken, dass es nicht nur darum geht, den Kontakt zu Kollegen und Mitarbeitenden digital zu organisieren, sondern auch darum, die Beziehungen untereinander persönlich und empathisch zu gestalten, sie lebendig zu halten.
In hybriden Arbeitssituationen, in denen Mitglieder eines Teams „vor Ort“ und andere jeweils „remote“ arbeiten und sich diese Konstellationen regelmäßig verändern, sind alle mit komplexen Herausforderungen an ihre Anpassungs- und Motivationsfähigkeit konfrontiert. Die Aufmerksamkeit war zunächst auf das Organisieren und Funktionieren gerichtet, bis sich in der virtuellen Zusammenarbeit Routinen entwickelt haben. Da wir aber inzwischen wissen, dass wir nicht mehr „zurück auf Los“ können und viele dies auch gar nicht mehr wollen, ist es an der Zeit, auf Basis der Erfahrungen dieses Jahres das „new normal“ unserer Zusammenarbeit in Organisationen aktiv zu gestalten.
Wie gelingt hybride Arbeit?
Ob hybride Zusammenarbeit funktioniert oder nicht hängt dabei wesentlich davon ab, wie eine Führungskraft selbst diese Erfahrungen für sich reflektiert und sich bewusstmacht, mit welcher Haltung sie diesen Herausforderungen der hybriden Arbeitswelt begegnet:
- Wie reagiere ich selbst auf die veränderten Anforderungen? Bin ich mir meiner eigenen Bedürfnisse, Einschränkungen oder Freiheiten durch die veränderten Rahmenbedingungen bewusst?
- Was kann ich tun, um die Balance zwischen dem Vertrauen in die Selbstbestimmung und Leistungsfähigkeit meines Teams einerseits und dem Wunsch nach der Kontrolle der Arbeitsergebnisse andererseits zu finden?
- Wie spüre ich, wieviel direkten Austausch und Orientierung einzelne in meinem Team brauchen, und wer mit mehr Freiraum kreativer oder effektiver arbeitet?
- Wie schaffen wir es, in der Mischform von gemeinsamer Teamarbeit einzelner vor Ort und gleichzeitiger räumlicher Distanz anderer Verständnis füreinander und Verbindlichkeit untereinander zu schaffen?
Eine klare Haltung der Führungskraft zu diesen Fragen ist die Voraussetzung dafür, die Umsetzung im „new normal“ des hybriden Arbeitens mit dem Team bewusst und konstruktiv gestalten zu können. Das hybride Arbeiten muss für jeden einzelnen und für das Team als Ganzes funktionieren, sowohl in den reinen Präsenz- oder in digitalen Situationen, als auch in Konstellationen, in denen ein Teil des Teams präsent an einem Ort arbeitet und sich andere Teammitglieder virtuell dazuschalten.
Gemeinsame Vereinbarungen für die Zusammenarbeit treffen
Das Team sollte folgende Aspekte des gemeinsamen Handelns diskutieren und Vereinbarungen für das „new normal“ formulieren, insbesondere zu diesen Themen:
- Kommunikation: Aus welchen Formaten bestand unsere „Regelkommunikation“ bisher? Wozu nutzten wir z.B. ein „Stand-up-Meeting“ oder einen „Jour fixe“ in der analogen Welt? Wo und wie findet informeller Austausch statt? Welche Routinen oder Formate brauchen wir zukünftig für regelmäßiges Feedback?
- Zusammenarbeit: Wie groß waren jeweils die Anteile der individuellen und der gemeinsamen Aufgabenerfüllungen in der analogen Welt? Hat sich etwas verändert? Fördert das die Effizienz? Wie kommen wir jetzt in den persönlichen Kontakt miteinander – über die Formate der Regelkommunikation hinaus? Haben wir ein gemeinsames Verständnis von Verbindlichkeit? Wie klären wir Konflikte zwischen einzelnen bzw. im Gesamtteam ?
- Ziele & Ergebnisse: Wie definieren wir unsere Team- oder Projektziele (OKRs)? In welchen Formaten und welcher Frequenz? Wie überprüfen, nutzen und bewerten wir die Ergebnisse?
- Entscheidungen: Wie treffen wir Entscheidungen, die das gesamte Team unter hybriden Bedingungen betreffen? Welche formalen und informellen Informationswege nutzen wir dazu? Wie überprüfen wir Prioritäten und verändern sie?
Die bewusste Haltung des „Sowohl-als auch“ führt dabei zu den wirksamsten Entscheidungen: Was steht in einer bestimmten Situation bzw. einem konkreten Prozess im Vordergrund – die zu erfüllende Aufgabe oder die handelnde Person bzw. die Beziehung zwischen Teammitgliedern? Entsprechend sollte die effektivste Arbeitskonstellation gewählt werden: in Präsenz, digital oder durch Integration beider Formen.
Erfolgsfaktor der hybriden Arbeit: Vereinbarungen im Team
Unsere Erfahrung bei Raum für Führung in der Unterstützung virtueller und hybrider Teams innerhalb des letzten Jahres hat gezeigt, dass das Geheimnis zum Teamerfolg im „new normal“ in konkreten Vereinbarungen liegt. Diese könnten zum Beispiel sein:
- Gemeinsam stellen wir den Informationsfluss zwischen analog und digital arbeitenden Teammitgliedern sicher, u.a. durch „Status-Calls“.
- Wir legen Wert auf Transparenz. Wir dokumentieren Vereinbarungen, Entscheidungen und Ergebnisse und machen sie für alle verfügbar.
- Unsere Führungskräfte halten das Team zusammen. Sie beobachten dabei „Gruppeneffekte“ und beugen damit Gruppenbildung („IN/OUT-groups“) vor.
- Innerhalb des Führungskreises haben wir die Beziehung bzw. Nähe zu den einzelnen Mitarbeitenden im Blick und tragen dafür Sorge, wieviel Nähe, Aufmerksamkeit und Zeit einzelne jeweils in den analogen, hybriden oder/und digitalen Formaten erhalten? Wir versuchen, das Gleichgewicht zu wahren.
Die Mühen und Frustrationen haben sich immer dann gelohnt, wenn die Beteiligten es schaffen, das Beste aus beiden Welten, der analogen und der digitalen, zu verbinden. Dabei gilt es einerseits, Freiheiten und Selbstbestimmung zu erhalten, und andererseits, die Möglichkeiten der beiden Welten gezielt zu nutzen, um Organisationen sowohl effektiver und effizienter zu machen, als auch die Kommunikation zwischen den Menschen in einer Organisation so zu gestalten, dass sie nicht nur die funktionalen Notwendigkeiten bedient. Das „new normal“ wird nur zukunftsfähig sein, wenn wir darin auch unsere Beziehungen leben und qualitativ so gestalten können, dass wir Lust darauf haben, mit den Menschen in einer Organisation gemeinsam unsere Ideen umzusetzen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem „new normal“ gemacht? Welche Fragen haben Sie zum hybriden Arbeiten? Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.
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